Nierenfunktionsverschlechterung früh erkennen!

14. Juni 2023

Niereninsuffizienz: Die wenigsten Menschen interessieren sich für die Funktionsfähigkeit der Nieren. Das ist gefährlich, denn eine chronische Nierenerkrankung kann sich langsam und symptomlos entwickeln. Die Öffentlichkeitskampagne «Nieren leiden leise» will das Bewusstsein für die Niere und chronische Nierenerkrankungen erhöhen.

Aufgrund der älter werdenden Bevölkerung und dem zunehmenden Auftreten von Krankheiten, welche die Niere belasten und schädigen (z. B. Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie), ist die Prävalenz der chronischen Nierenerkrankung (chronic kidney disease, CKD) stark steigend. Aktuelle Prävalenzdaten zeigen, dass einer von zehn Erwachsenen in der Schweiz von CKD betroffen ist [1]. 

Die Funktionsfähigkeit der Nieren kann über Jahre schleichend abnehmen, ohne dass dies auffällt. Bei vielen Personen, die an einer CKD erkranken, wird die Diagnose erst gestellt, wenn es zu spät ist. Es ist jedoch wichtig, das Auftreten einer CKD zu verhindern, respektive sie frühzeitig zu erkennen und Betroffene optimal zu betreuen, um drastische Massnahmen wie eine Dialyse oder Nierentransplantation vermeiden zu können. 

Prüfung der Nierenfunktion 

Der SGN-Pocketguide bietet eine handliche und einfache Übersicht, wie man bei der Früherkennung und Identifikation der CKD als Fachperson für Allgemeine Innere Medizin und Hausarztmedizin vorgehen sollte [2]. 

Es wird empfohlen, die Nierenwerte von Risikopatienten und Riskiopatientinnen regelmässig (mind. einmal jährlich) zu überprüfen; speziell bei Patienten und Patientinnen mit arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 

Wie ist die CKD definiert? 

CKD ist definiert als «Anomalien der Nierenstruktur oder -funktion, die >3 Monate besteht mit Auswirkungen auf die Gesundheit». CKD wird basierend auf Ursache, eGFR (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate) und Albuminurie-Kategorie klassifiziert (Abbildung 1) [2, 3]. 

(Abbildung 1)

Bestimmen der Nierenwerte 

– eGFR: Kann durch einen Bluttest ermittelt werden. Die eGFR zeigt an, wie gut die Nieren das Blut reinigen und wird mithilfe einer Formel (CKD-EPI-Formel) auf Ba- sis von Serumkreatinin, Alter und Geschlecht geschätzt. 

– uACR (Verhältnis von Albumin und Kreatinin): kann durch einen Urintest gemessen werden. Wird im Urin Albumin gefunden, kann dies bedeuten, dass die Nieren Schaden genommen haben. 

Klassifizieren der CKD 

Anhand der eGFR- und uACR-Werte kann die Einteilung in der CKD-Heatmap vorgenommen werden (Abbildung 1). Diese Grafik hilft, einerseits das Risiko einer fortschreitenden Verschlechterung der Nierenfunktion und andererseits das Risiko einer Herzerkrankung einzuschätzen (siehe Abbildung 1). 

– Die linke Spalte zeigt den eGFR-Wert: Je weiter oben der Wert erscheint, desto geringer ist das Risiko, dass eine Nierenerkrankung weiter voranschreitet. 

– Die obere Zeile zeigt den uACR-Wert: Je weiter links sich der Wert befindet, desto besser. Das bedeutet, dass im getesteten Urin nur wenig Albumin zu finden ist. 

Die CKD-Heatmap funktioniert nach dem Ampelsystem: 

–  Grün heisst «weiterfahren», weil kein bzw. ein niedriges Risiko für ein Voranschreiten einer chronischen Nierenerkrankung gefunden wurde. 
–  Gelb bedeutet «Vorsicht», weil das Risiko für eine sukzessive Verschlechterung der Nierenfunktion erhöht ist. 
–  Rot bedeutet «Stopp», da diese Felder ein hohes Risiko für eine schnelle Verschlechterung der chronischen Nierenerkrankung anzeigen. Es besteht Handlungsbedarf. 

Fall-Beispiel (Abbildung 2): Im Blut wird ein eGFR-Wert von 35 ml/min/1.73 m2 gemessen, was dem Feld G3b in der linken Spalte entspricht. Von dort wird eine waagrechte Linie nach rechts gezogen. Im Urin wird der uACR-Wert 350 mg/g gemessen, was dem Feld A3 in der oberen Zeile entspricht. Wiederum wird von dort ausgehend eine senkrechte Linie nach unten gezogen. Die beiden Linien treffen sich in diesem Beispiel leider in einem roten Feld, was für ein hohes Risiko spricht und die Überweisung zu einem Nephrologen bzw. einer Nephrologin notwendig macht. 

(Abbildung 2)

Was tun bei chronischer Nierenerkrankung? 

Der eGFR-Wert lässt sich kaum verbessern, aber er kann stabilisiert werden. Der uACR-Wert kann hingegen in der Tat verbessert werden. 

Das können Hausärzte und Hausärztinnen tun, um den Albumin-Wert im Urin zu senken und die Nieren zu schützen: 

1. Empfehlung und Aufklärung für: 

– gesunde Ernährung,
– ausreichend Bewegung, Raucherentwöhnung. 

2. Vermeidung von nephrotoxischen Medikamenten und bestehende Medikamente an die Nierenfunktion anpassen.

3. Blutdruck und Lipidwerte optimieren.

4. Medikamente gegen Diabetes und Bluthochdruck senken den Albumin-Wert im Urin. Ausserdem gibt es weitere geeignete Medikamente, welche dabei helfen, die Verschlechterung der Nierenfunktion zu stoppen sowie das Herz zu schützen. 

Wann zum Nephrologen überweisen? 

– akute Nierenschädigung (AKI) oder plötzlicher und anhaltender eGFR-Verlust 

–  CKD unbekannter Ätiologie

–  eGFR < 30 ml/min/1.73 m2

–  uACR konsistent > 300 mg/g (30 mg/mmol)

–  fortschreitende CKD/Verschlechterung der eGFR um mehr als 5 ml/min/1.73m2/Jahr

–  glomeruläre Mikrohämaturie

–  CKD und therapieresistente arterielle Hypertonie

–  anhaltende Hypo- oder Hyperkaliämie

–  hereditäre Nierenerkrankung

–  rezidivierende oder ausgedehnte Nephrolithiasis 

Öffentlichkeitskampagne „Nieren leiden leise“ 

Seit 2022 läuft eine Öffentlichkeitskampagne in der Schweiz, um mehr Bewusstsein für chronische Nierenerkrankungen zu schaffen. Die Kampagne «Nieren leiden leise» bietet zahlreiche Informationen zum Krankheitsbild, zu Risikofaktoren und Behandlungsmöglichkeiten der Niereninsuffizienz. Neben Informationsmaterial für Betroffene wird auf www.nieren-leiden-leise.ch auch ein Fachbereich für medizinische Fachpersonen angeboten, in dem viele hilfreiche Informationsbroschüren heruntergeladen werden können. 

Artikel in der SAEZ am 14.06.2023 auf deutsch.

Article dans le Bulletin des médecins suisse 14.06.2023 en francais.